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Freitag, 11. Juni 2010

Vor Sorgen dank Vorsorge-Innovation?

Beim gemeinsamen Heurigenbesuch haben sich die Chefs von Ärzte- und Wirtschaftskammer nun doch noch geeinigt. Der vertragslose Zustand zwischen der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und den Medizinern ist ab sofort beendet. Die mehr als 400.000 großteils kleinen Gewerbetreibenden können ihre Behandlung beim Arzt ab sofort wieder mit der E-Card "bezahlen".
Die Einigung beinhaltet bemerkenswerte Details, die mir den längst verlorengegangenen Glauben an eine Reformierbarkeit des österreichischen Gemeinwesens nun doch zumindest ansatzweise zurückbringt. In geradezu unösterreichischer Kreativität vereinbarten die Vertragspartner, ab 2011 Gesundheitsvorsorge zu belohnen: Wer sich einer Vorsorgeuntersuchung unterzieht und beispielsweise den als zu hoch diagnostizierten Cholesteringehalt seines Blutes reduziert, berappt in der Folge nur mehr zehn statt 20 Prozent Selbstbehalt.
Ähnliches soll auch für Übergewicht und weitere Vorboten künftiger - für die Kasse kostspieliger - Erkrankungen gelten. Beim Übergewicht brauche ich freilich keinen Arzt. Da erstellt mir die Badezimmerwaage die Diagnose schon jetzt gänzlich honorarfrei.
Alles in allem sollte der neue Weg auch für andere Krankenkassen beispielgebend sein. Vor einigen Jahren gründete ein Bekannter, der rechtzeitig erkannten Prostatakrebs glücklich überstanden hatte, eine Aktionsgruppe. Sie warb dafür, dass bei der normalen Gesundenuntersuchung beim Bluttest doch auch nach Markern für die Früherkennung von Prostastakrebs gesucht werden solle. Damals - und ich würde mich nicht wundern, wenn es heute noch immer so wäre - musste man diesen Test extra bestellen und bezahlen. Im kostenlosen Vorsorgepaket der Gebietskrankenkasse war diese lebensrettende und für den Versicherer enorm kostensparende Untersuchung nicht vorgesehen.
Bei allem Positiven hat die neue Denkweise der Gewerblichen Sozialversicherung natürlich auch eine Kehrseite: Sie ist ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung der österreichischen Gesellschaft. Wer es nicht schafft, sein Übergewicht zu reduzieren oder andere Parameter zu verbessern, zahlt weiterhin den vollen Selbstbehalt. Warum er es nicht geschafft hat, danach wird keiner fragen. Wir nähern uns einen Schritt weiter der soziologisch zweifelhaften Philosophie "Wer arm und/oder krank ist, ist selber schuld! Drum soll er auch die Folgen selber tragen!"
Und noch einen Haken hat das neue System - und hier erlaube ich mir ein wenig Zynismus: Wer dank des neuen Belohnungssystems gesünder lebt, wird auch länger leben. Die Folge: Mehr Gewerbepensionisten werden länger Pensionen beziehen und damit der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft länger auf der Tasche liegen.
Fazit: Für die Versicherer ist die Verweigerung sinnvoller Vorsorgeuntersuchungen wahrscheinlich doch das bessere Geschäft!



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