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Dienstag, 18. Januar 2011

Wehrpflicht - Kopfstand der Logik

Als Feiglinge und Drückeberger wurden sie viele Jahre lang verunglimpft. Nun sind ausgerechnet die Zivildiener das Haupthindernis für die Abschaffung der Wehrpflicht. Weil das österreichische Sozialsystem ohne jene jungen Männer, die den Wehrdienst verweigern, zusammenbrechen würde, musste die längst obsolet gewordene allgemeine Wehrpflicht künstlich am Leben erhalten werden. Ein Paradoxon, das die Logik in den Kopfstand zwingt.
Norbert Darabos, in den letzten Tagen immer mehr zum Selbstverteidigungsminister mutiert, hat nach der boulevardunterstützten Wahlkampfansage des Wiener Bürgermeisters neue Erkenntnisse über den Härtegrad von Steinen gewonnen: Vor nicht allzu langer Zeit hatte er die allgemeine Wehrpflicht ja noch als "in Stein gemeißelt" bezeichnet. Jetzt aber tritt der Ex-Zivi plötzlich für die Abschaffung eben dieser Wehrpflicht ein.
Nicht nur Ex-Zivi Darabos und die SPÖ-Führungsriege beherrschen die formvollendete militärische Kehrtwendung, auch die ÖVP, bislang Fürsprecher einer Berufsarmee, hat sich um 180 Grad gedreht und sich zum Verteidiger des Status Quo aufgeschwungen.
Eine von sieben "zur Diskussion gestellten" Varianten soll zum Umstieg auf ein Freiwilligenheer führen. Manche Kritiker sehen eine waffennärrische Söldnertruppe kommen, andere befürchten eine wesentliche Kostensteigerung, wenn Österreichs Landesverteidigung künftig auf den Schultern von Berufssoldaten ruht.
Minister Darabos versuchte - mit einem wenig überzeugenden Rechenkunststück - zu beruhigen: Das neue Bundesheer werde nicht mehr kosten als das bisherige. Nun, mitten im tiefsten Frieden ist auch das schon zuviel! Schließlich muss an allen Ecken und Enden gekürzt und gespart werden und wir haben noch die Eurofighter abzuzahlen und den ebenso überflüssigen Koralmtunnel zu finanzieren.
Was wir in diesem Land brauchen, sind längst nicht mehr bewaffnete Militäreinheiten. Wir brauchen eine gut ausgerüstete Truppe für den Katastrophenfall. Und natürlich brauchen wir junge Menschen, die die Arbeit der bisherigen Wehrdienstverweigerer erledigen.
Was also liegt näher, als den derzeitigen Wehrdienst in einen verpflichtenden Zivildienst samt Katastrophenschutzagenden umzuwandeln?
"Geht nicht!", kam sofort der Einwand, "das wäre ja Zwang und damit verfassungswidrig!" Nun, so meine ich, dann wäre ja wohl auch die Zwangsverpflichtung zum bewaffneten Wehrdienst ebenso verfassungswidrig. Für derartige Fälle gibt es die - in der Vergangenheit hundertfach missbrauchte - Möglichkeit, ein an sich nicht verfassungskonformes Gesetz per Verfassungsbeschluss mit Zweidrittelmehrheit zu einem Teil der Verfassung zu machen.
Wahrscheinlich geht es in Wahrheit aber gar nicht primär um die Reform des Bundesheeres. Das ganze aufgeregte Gezerre rund um die Zukunft der Wehrpflicht hat nämlich die peinliche Debatte um die desaströse Bildungssituation in Österreich schlagartig und höchst erfolgreich aus den Schlagzeilen geboxt. Dafür sollten die obersten Stillstandsverwalter der Republik ihrem Regierungskollegen Darabos eigentlich einen Orden an die Brust heften - für Tapferkeit im Scheingefecht.

Montag, 3. Januar 2011

Rotterdam hat ausgedient!

Jetzt haben wir die Lügner ertappt: Die österreichischen Treibstoffpreise werden, entgegen jahrzehntelangen Beteuerungen, doch nicht in Rotterdam gemacht! Den Beweis lieferten die Mineralölkonzerne selber - mit ihrer Preisgestaltung rund um den Jahreswechsel.
Seit 1. Jänner 2011 gilt für Benzin und Diesel der erhöhte Mineralölsteuersatz. Dennoch war der Sprudel am 2. Jänner bei den selben Tankstellen um drei bis vier Cent billiger als am letzten Tag vor der Steuererhöhung. Am 30. und am 31. Dezember stürmten die Autofahrer österreichweit die Tankstellen. Jeder wollte noch schnell zum alten Preis den Tank seines Autos mit "billigem" Benzin randvoll laufen lassen.
Ich selber übte dabei Enthaltsamkeit, weil ich schon einen konkreten Verdacht hatte. Schon in den Tagen und Wochen davor waren Treibstoffe fast täglich teurer geworden. Zuletzt war in meiner Wohnumgebung Super 95 um einen Euro und 33 Cent pro Liter zu haben gewesen.
In alter Währung sind das 18,3 Schilling. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten die Grünen einen ähnlich hohen Benzinpreis vor rund 15 Jahren - natürlich kurz vor einer Wahl - aus ökologischen Gründen gefordert. Der Schuss ins eigene Knie hat damals funktioniert, die Überlegung dahinter freilich nicht: Jetzt haben wir diesen hohen Benzinpreis, aber deutlich mehr Autoverkehr als damals.
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Die Treibstoffbranche hat in trauter Einigkeit Österreichs Autofahrer ordentlich hineingelegt. Deren Hamsterverhalten war ja vorhersehbar. Angesichts der angekündigten noch höheren Preise würden die Leute hohe Preise akzeptieren. Und es ist ja allemal besser für die Bilanzen, mehr überteuertes Benzin zu verkaufen als weniger. Also trieb man die Treibstoffpreise schamlos noch weiter in die Höhe.
Darin hatte man ja Übung. Als Ausrede für die ständig steigenden Mineralölpreise musste - zuletzt neben der Euro-Dollar-Parität - seit Jahrzehnten Rotterdam herhalten. In dieser niederländischen Stadt mit riesigem Ölhafen befindet sich eine der weltweit wichtigsten Rohstoffbörsen. Dort pokern sich die Spekulanten die Preise für Benzin und Diesel aus, das ist schon wahr. Aber: In Rotterdam hat es keine Erhöhung der österreichischen Mineralölsteuer gegeben!
Wie groß der Spielraum der heimischen Mineralölfirmen zu eigener Preisgestaltung ist, zeigt auch das erstaunliche Preisgefälle bei Euro-Super am 3. Jänner: Auf einer Strecke von gerade einmal 25 Kilometern betrug der Preisunterschied fast neun Cent pro Liter. In Bad Radkersburg tankte ich bei der OMV-Tankstelle um einen Euro und 25,5 Cent pro Liter, um einen halben Cent billiger als im benachbarten Slowenien, dem Ziel meiner Fahrt.
Die Rotterdam-Lüge hat also ausgedient. Jetzt haben wir den Beweis für etwas, was wir ohnehin längst wissen: Mineralölkonzerne sind gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen und agieren auf einem freien Markt. Die Preise werden dort bestimmt durch Angebot und Nachfrage, also nach dem Prinzip "Was geht, das geht!".
Aber wir Konsumenten sind auch nicht ganz machtlos. Wir haben die Instrumente Preisvergleich und Kaufverweigerung in der Hand. Und die Umwelt tät's schon aushalten, würden wir künftig weniger mit dem Auto fahren.